Sonntag, 26. August 2007

Woher kommt der Mensch? Was will der Mensch? Was ist der Mensch?

In den folgenden drei Kapiteln soll keinerlei informative Ambition befriedigt, sondern lediglich die meinige, subjektive Sicht der Dinge dargelegt werden.

1. Woher kommt der Mensch?

"Ich kann verstehen, dass ein Mensch zum Atheisten wird, wenn er auf die Erde hinunterschaut, aber wie jemand den Blick zum Himmel emporrichten und sagen kann, es gebe keinen Gott, ist mir unbegreiflich." (Abraham Lincoln (1809-1865); 16. amerikanischer Präsident)

Dass der Mensch anderen Menschen mit seinem Handeln oftmals keinen Anlass zu glauben gibt, er würde von einer Art gutmütigem Schöpfergott geliebt, ist nicht zu bestreiten. Als Lincoln in den Himmel sah, sah er vermutlich nicht mehr als das unerklärliche Wunder der Natur, das auch nicht durch den Verweis auf „Gott“ begründet werden kann. Denn wenn die ursprünglichste Antwort auf alle Fragen „Gott“ heißen soll, wer oder was markiert dann den Ursprung Gottes? Der Mensch ist nicht imstande, den anfänglichsten Anfang seines Lebens rational zu begreifen. Fragen nach dem Woher und Warum führen immerzu ins Unendliche, ins Nichts, ins Unfassbare. Aus diesem Grund könnte man aus atheistischer Sicht Lincolns Glaubensbekenntnis entgegenhalten: „vor dem Leben war nichts, nach dem Leben ist nichts“. Was in der Zeit vor meiner Geburt geschah, wird mir von älteren Menschen überliefert, so wie ich jüngeren Menschen erzähle, was vor deren Lebenseintritt passierte. Es gibt aber keinen Lebenden, der vom Anfang des Lebens, und keinen Toten, der vom Tod zu berichten wüsste. Deshalb besteht auch kein Grund, irgendwelche Phantastereien bezüglich der „Schöpfungslehre“ und der „Wiedergeburt“ Glauben zu schenken.
Die Anhänger der humanistischen Bewegung rufen den Menschen darum ins Bewusstsein, dass der Mensch den Sinn des großen Ganzen nicht erfassen könne. Stattdessen müsse er akzeptieren, dass er angesichts der Größe der Welt relativ unbedeutend sei. Selbst wenn man sich für noch so wichtig oder gar für unentbehrlich halte: es gehe auch ohne einen weiter. Und das sei auch gut so, denn nur durch den Tod schaffe man Platz für neues Leben. Trotzdem könne der Mensch das Beste aus seinem Leben machen, indem er sich selbst, seine Mitmenschen und die Natur in den Fokus seiner Wertschätzung und seines Handelns rücke. Entscheidend sei das Hier und Jetzt; man müsse gemeinsam auf ein irdisches Paradies der Lebenden hinarbeiten und solle nicht länger an die Himmelfahrt der Toten glauben. Die einzige wichtige Funktion, die ein allmächtiger „Gott“ für die Gläubigen einnehme, sei ohnehin nur diejenige des Hoffnungs- und Trostspenders. Aber diese Funktion könne ohne weiteres durch mehr individuelle Eigenverantwortung, durch einen stärken Glauben an sich selbst, durch ein größeres Vertrauen in seine Mitmenschen oder durch das Hoffen auf ein potentiell mögliches, menschliches Wunder ersetzt werden. Letztere „Wunder“ tragen sich immer wieder zu, doch sie erstaunen jedes Mal aufs Neue: „Reinhold Messner erklimmt den Mount Everest als Erster ohne Sauerstoffgerät“, „Griechenland gewinnt die Fußball-EM 2004!", „Baby überlebt Sturz aus drittem Stock“ usw.
Und dennoch ist der Mensch von seiner Veranlagung her ein Lebewesen, das gerne an Dinge glaubt, die sich auf keinerlei rational-logisches, empirisches Gerüst stützen können. Das betrifft keineswegs immer nur den religiösen Glauben. Auch der Krisenzeiten überdauernde, schier unerschütterliche Glaube an die Heilung einer als unheilbar geltenden Krankheit oder an das Gute im Menschen zählen dazu. Gleichwohl wird man nicht leugnen können, dass man für den Glauben an einen bildhaften „Gott“ eine größere Phantasie benötigt als beim Glauben an ein gottloses, weniger zauberisches „Wunder“ im Alltag der Menschen.
Aufgrund der bisherigen Ausführung kann man u.a. zu dem Schluss gelangen: das Entfernstete, wovon der Mensch im Hinblick auf die Frage nach dem Beginn des Geschehenen, Seienden und des Werdenden vielleicht zu recht einigermaßen etwas zu wissen glaubt, ist der Verlauf der Evolution seiner Spezies und die Existenz seiner selbst, seiner Eltern, seiner Ureltern usw. als Ergebnisse ständiger biologischer Reproduktion.

2. Was will der Mensch?

"Menschen sind Engel mit einem Flügel - nur wenn sie sich umarmen, können sie fliegen." (Luciano De Crescenzo (*1928); italienischer Schriftsteller)

Die Frage nach dem Sinn des Lebens beschäftigt den Menschen schon solange wie die Frage, woher der Mensch denn stamme. Crescenzo sieht den Sinn des Lebens darin begründet, anderen zu helfen und sich damit selbst zu helfen – also im Beitrag jedes einzelnen Menschen zu einer Gemeinschaft der Kooperation. Das obige Zitat umfasst auch den Aspekt der biologischen Reproduktion. Denn nicht wenige Menschen sehen gerade in der Fortpflanzung den Sinn des Lebens (teils) verwirklicht. Demzufolge gehört das Leben der Kinder zum Sinn des Lebens der Eltern. Umgekehrt geben anfangs besonders die Eltern dem Leben des Kindes mit der ihm entgegengebrachten Liebe und Erziehung zum Gesellschaftswesen einen Sinn. Verallgemeinert kann man deshalb sagen: der Sinn des eigenen Lebens steckt darin, dem Leben der anderen Sinn zu geben, wodurch man als „Gegenleistung“ in Form von sozialer Anerkennung selber Sinn erfährt. Um seine egoistischen Bedürfnisse zu befriedigen, muss der Mensch also sozial handeln. Soziales Handeln bedeutet laut des Soziologen Max Weber „ein Handeln, welches sich dem Sinn nach auf das Verhalten anderer bezieht und daran in seinem Ablauf orientiert ist“; es meint also nicht notwendigerweise ein Handeln zum Wohle der Gemeinheit. Soziale Anerkennung lässt sich nämlich nicht nur durch positive Attribute wie Menschenfreundlichkeit erzielen, sondern auch im Gegenteil: sogar politischen Gewaltherrschern, wirtschaftlichen Sklaventreibern und anderen gesellschaftlichschädlichen Personen wird diese zuteil. Jene zu bedauernde Tatsache kann man auf den ureigensten Trieb der Menschen, den Selbsterhaltungstrieb, zurückführen. Letzterer äußert sich selten bewusst, meist unbewusst das ganze Leben lang in den verschiedensten Erscheinungsformen von Existenzangst. Wer rebelliert schon gegen ein politisches Regime, wenn Freiheitsentzug oder Schlimmeres drohen? Wer haut schon beim Chef auf den Tisch, wenn dadurch der Job und ein Teil der sozialen Anerkennung verloren gehen könnten? Wer zeigt schon Zivilcourage, wenn man eine blutige Nase fürchten muss? Leider triumphiert nur in einigen wenigen Situationen, bei einigen wenigen Menschen der Mut über die Angst.
Wozu aber das ständige, von existentieller Angst geleitete Streben nach sozialer Anerkennung? Ganz einfach: sie ist nur ein Mittel zum Zweck, denn soziale Anerkennung führt schließlich – sofern sie nicht unter Gewissensbissen und Selbstzweifeln „erkauft“ wurde – beim einzelnen Individuum zu positiven Gefühlszuständen wie Glück und Zufriedenheit oder wenigstens zu einer Minderung von Unglück und Unzufriedenheit. (In Selbstzweifel oder in eine Identitätskrise schlittert der Mensch beispielsweise, wenn er einen als sinnlos empfundenen Job verrichtet, mit dem er sich nicht identifizieren möchte. In diesem Fall steht der Mensch vor der Wahl, weiterhin durch für ihn persönlich wenig sinnstiftende Arbeit soziale Anerkennung zu erfahren oder gesellschaftliche Bestätigung in einem neuen, ihn erfüllenden Job zu suchen.)
Der stärkste natürliche Antrieb menschlichen Handelns ist also die Angst um das eigene Leben (Selbsterhaltung). Diese von den meisten Menschen wahrgenommene Priorität der Selbsterhaltung drückt sich exemplarisch darin aus, dass ein dem Verdursten nahender Mensch kaum etwas Wohltuenderes fühlen kann als Wasser in seinen trockenen Schlund. Der zweitstärkste menschliche Naturimpuls ist die platonische Liebe zu anderen Menschen – etwa zu den eigenen Familienangehörigen – und der Sexualtrieb (beides Arterhaltung). Charakteristisch für den obersten „sozialen“ Trieb ist das unaufhörliche Streben nach sozialer Anerkennung. Letzterer Trieb liegt allerdings ebenfalls in der Natur des Menschen, weil der Mensch ein von Grund auf kulturbedürftiges Gesellschaftswesen ist. Glück und Zufriedenheit bzw. die Abschwächung von Unglück und Unzufriedenheit resultieren aus erfolgreicher Befriedigung von mindestens einem der drei menschlichen Triebe und machen schlussendlich den eigentlichen Sinn des Lebens aus.

Übrig bleibt die Frage, worin der Sinn des Lebens für Menschen besteht, die keinerlei soziale Beziehungen pflegen (können) – etwa so wie die Romanfigur Robinson Crusoe? Eine Antwort könnte lauten: Einsame Menschen schaffen sich entweder Haustiere an, sie werden schizophren, sie verlieren ihre Sprachfertigkeit, also ihren Intellekt, sie bilden Instinkte aus und leben somit wie Tiere oder sie nehmen sich in letzter Konsequenz ihr Leben. Die Zuwendung zu „Gott“ mittels Gebet etc. ist in solchen Situationen nur eine Form der Schizophrenie, in der man seinem Alter ego große Ehrfurcht erbietet, ihm eine übergroße Macht beimisst, ihm dankt und ihm Wünsche überstellt, um letzten Endes eine positivere Gemütsverfassung zu erlangen. Durch die beschriebenen Techniken kann der Sinn des Lebens auf eine gewisse Art und Weise erhalten bleiben.


3. Was ist der Mensch?

„Es liegt eben in der menschlichen Natur, vernünftig zu denken und unlogisch zu handeln.“ (Anatole France (1844-1924); französische Schriftsteller)

Wie bereits angesprochen, ist der Mensch (wie das Tier) ein von Angst getriebenes Lebewesen, wodurch er manchmal dazu neigt, lieber seinem Gefühl statt seinem Verstand zu gehorchen. Weil Angst ein Urinstinkt des Menschen ist, ist der Mensch in seinem Handeln im Grunde fremdgesteuert. Zwar besitzt er einen relativ freien Willen, dieser ist jedoch auf die Befriedigung natürlicher und sozialer Triebe hin fixiert und bewegt sich normalerweise im Rahmen gesellschaftlicher Norm- und Moralvorstellungen. Doch ethische Werte und Gemeinsinn rücken beim Menschen leicht in den Hintergrund, wenn er sich durch egoistisches Handeln einen Vorteil hinsichtlich seiner Triebbefriedigung verspricht. Wenn die Triebe über die gesellschaftlichen Soll- und Muss-Erwartungen gänzlich Überhand gewinnen – was jedem Menschen passieren kann – ist der Mensch auch zu töten bereit. Allerdings ist es falsch zu behaupten, jeder Mensch sei ausschließlich böse und schlecht. Der Mensch ist im Vergleich zu den Tieren mit einer großen Intelligenz ausgestattet, die es ihm einerseits ermöglicht, menschendienliche Ideen in die Tat umzusetzen und ihm andererseits Mittel sein kann, ganze Völker zu vernichten. NS-Widerstandskämpfer Johann Georg Elser bewies mit seinem Attentatversuch auf Hitler im Münchner Bürgerbräukeller (8. Nov. 1938), dass er es mit den Menschen gut meinte. Sein Handeln stellte das Leben anderer Menschen über das Seinige, man kann auch sagen: sein Arterhaltungstrieb (hier nicht im sexuellen Sinne) war stärker als seine Angst, was ihn zu einem Helden machte. Dagegen war Hitlers stärkster Trieb der nach bedingungsloser sozialer Anerkennung, die sich in seinem Machtmonopol und dem daran geknüpften Führerkult niederschlug. Der Mensch ist also lediglich den Interessen seiner Triebe unterworfen, die situationsabhängig von persönlicher Aufopferungsbereitschaft bis hin zu grausamster Bestialität alles menschenmöglich machen. Der französische Philosoph Théodore Jouffroy umging die menschliche Situations- und Triebabhängigkeit und hatte deshalb Unrecht als er sagte, „ein Tag genügt, um festzustellen, dass ein Mensch böse ist; man braucht ein Leben, um festzustellen, dass er gut ist." Außerdem kann sich hinter einer guten Tat – also einer Tat zum Nutzen der Menschen und ihrer Natur – eine böse Absicht, hinter einer bösen Tat eine gute Absicht verbergen. Das Gute schließt das Böse genauso wenig aus wie andersherum Böses Gutes nicht ausschließt. Von dem her genügt auch ein Tag, um einige guten Seiten eines Menschen auszukundschaften.
Alles in allem liegt es im Eigeninteresse und im Interesse aller Menschen und ihrer Natur sich zumindest darum zu bemühen, gut zu sein, d.h. gemeinnützig zu handeln. Selbst Diktatoren und andere Unterdrücker könnten sich jederzeit davon überzeugen, dass es einen persönlich tatsächlich glücklicher macht, Menschen zu erfreuen als ihnen das Fürchten zu lehren. Der deutsche Kulturphilosoph Paul de Lagarde bemerkte diesbezüglich treffend: "Jeder Mensch hat die Chance mindestens einen Teil der Welt zu verbessern, nämlich sich selbst."

Link: http://www.humanistische-aktion.homepage.t-online.de/humasinn.htm

Dienstag, 21. August 2007

Deutscher Rüstungsexport

1. Einleitung

„Solange es Streitkräfte gibt, wird Ausrüstung benötigt. Aber Ausrüstung gibt es nicht ohne Rüstungsproduktion. Da sich kein Land eine autarke Rüstungsproduktion leisten kann, gibt es grundsätzlich einen Handel mit Rüstungsgütern.“ (Winfried Nachtwei, Bündnis 90/Die Grünen)

Waffen gibt es schon solange wie den Menschen selbst. Deshalb ist der Gedanke an eine Welt ohne Armeen und Waffen zwar wünschenswert, aber er scheint auch realitätsfern.
Deutschland rangiert in der Tabelle der Rüstungsexporteure auf dem dritten Platz hinter Russland und dem Spitzenreiter der USA. Und es ist ein Skandal, dass hier und da Menschen verhungern, weil sie nichts zu Essen haben, während andernorts Unsummen an Geld in die Rüstungsindustrie gepumpt werden. Doch der makabere Irrwitz der Verteilung und Verwendung von Ressourcen und deren Folgen auf Mensch und Umwelt lässt sich nicht nur am Aspekt der Rüstung festmachen. Der Handel mit Rüstungsgütern ist eher Ausdruck einer allgemeinen kollektiven und individuellen menschlichen Schieflage, die aber hier aus Platzgründen nicht ausgeführt werden kann. Der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit liegt daher woanders: Zunächst soll ein Blick auf die Gesetzesgrundlage und die Leitlinien deutscher Rüstungsexportpolitik geworfen werden. Anschließend wird anhand des von der Bundesregierung herausgegebenen Rüstungsexportberichts die tatsächliche Praxis veranschaulicht und um kritische Einwände seitens verschiedener Organisationen ergänzt.

Die Leitfragen dieses Aufsatzes lauten dann etwa so: Welchen Prinzipien will die deutsche Rüstungsexportpolitik gehorchen? Wie sieht die tatsächliche Exportpraxis aus? Was ließe sich an der öffentlichen Aufklärungsarbeit der Bundesregierung verbessern?

Das Material der Arbeit speist sich hauptsächlich aus dem Rüstungsexportbericht der Bundesregierung (2005) und dem Gegenentwurf der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE).

2. Prinzipien deutscher Rüstungsexportpolitik

Der gesetzliche Handlungsrahmen für den deutschen Rüstungsexport ist nach dem Grundgesetz (GG), dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG) bzw. der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) und dem Kriegswaffenkontrollgesetz (KWKG) geregelt. Innerhalb dessen will die Bundesregierung ihre Rüstungsexportpolitik an den „Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“, an dem „Verhaltenskodex der Europäischen Union für Waffenausfuhren“ und an den von der OSZE verabschiedeten „Prinzipien zur Regelung des Transfers konventioneller Waffen“ ausrichten.
Deutschland verpflichtet sich demnach, nur an solche Länder Rüstungsgüter zu exportieren, in denen die Menschenrechte eingehalten und geschützt werden. Des Weiteren muss die BRD sicherstellen, dass die deutschen Rüstungsgüter nicht in „falsche Hände“ geraten. In Länder, die an bewaffneten Auseinandersetzungen beteiligt sind oder wo eine solche drohen könnte, dürfen keine deutschen Rüstungsgüter geliefert werden (Ausnahme: siehe Uno-Charta, Art. 51). Ferner werden auch andere Kriterien zur Bewertung des potentiellen Empfängerlandes herangezogen, z.B. das Verhalten im Hinblick auf den Terrorismus.
Gemäß dem AWG ist die Bundesregierung unter bestimmten Umständen berechtigt, Rechtsgeschäfte und Handlungen im Außenhandelsverkehr zu beschränken –
nämlich dann, wenn wesentliche deutschen Sicherheitsinteressen, das friedliche Zusammenleben der Völker und/oder die auswärtigen Beziehungen der BRD Schaden nehmen könnten. Insbesondere die Aus-, Durch- sowie Einfuhr von Waffen, Munition, Kriegsgerät und ‚sonstiger Rüstungsgüter’ können von der Bundesregierung auferlegten Restriktionen unterliegen. Rechtsgeschäfte und Handlungen im Ausland tätiger deutscher Unternehmer, die Produkte der Ausfuhrliste herstellen und entwickeln, können ebenfalls Grenzen gesetzt werden.
Das AWG und die darauf basierende AWV besagen, dass die Ausfuhr sämtlicher Rüstungsgüter – inklusive der Kriegswaffen – genehmigungsbedürftig ist.
Wer speziell mit Kriegswaffen Geschäfte machen will, muss sich an das KWKG halten und stets im Einverständnis mit der Bundesregierung handeln. Der Export in EU-, NATO- und NATO-gleichgestellte Länder wird prinzipiell nicht beschränkt, sollte aber trotzdem mit dem Grundsatz der restriktiven Rüstungsexportpolitik vereinbar sein.
Nachdem nun im Groben geklärt ist, welche „Ideale“ der Bundesregierung in ihrer Rüstungsexportpolitik vorschweben, soll nun auf die Wirklichkeit geschaut werden.

3. Deutsche Rüstungsexportpolitik in der Praxis

Die alljährlich verzögerten Veröffentlichungen der Rüstungsexportberichte erschweren eine zeitnahe öffentliche Diskussion über deren Bilanzen. Auch der Rüstungsexportbericht des letzten Jahres lässt noch auf sich warten, weshalb hier noch einmal auf den Rüstungsexportbericht des Jahres 2005 zurückgeblickt werden soll, der gegebenenfalls um einige externe kritische Einwände und Forderungen ergänzt wird.

Meldepflichtig und somit in den behördlichen Statistiken registriert sind nur Realexporte von Kriegswaffen. Von den ‚sonstigen Rüstungsgütern’ ist nur die Zahl der beantragten Genehmigungen bekannt. Erfahrungsgemäß, so die Bundesregierung, exportierten die deutschen Unternehmer de facto aber weniger als sie es theoretisch dürften. Die GKKE gibt sich mit dieser wagen Auskunft nicht zufrieden und fordert die Erfassung der Realausfuhr aller Rüstungs- und Dual-Use-Güter. (Letztere Güter lassen sich sowohl militärisch als auch zivil verwenden; z.B. Schiffsmotoren.)
Die Namen der am Rüstungsexport beteiligten deutschen Unternehmen darf oder will die Bundesregierung nicht preisgeben, aber auch in anderen Punkten hält man sich bedeckt. In „NGO-online – der Internetzeitung für Deutschland“, heißt es folglich: „Noch immer fehlen bei den Exportgenehmigungen Details zu Art und Umfang der geplanten Lieferungen, zu Lieferanten, zu Empfängern, zum Verwendungszweck und zu Maßnahmen gegen eine Weiterverbreitung.“


3.1 Rüstungsgüter

Im Kalenderjahr 2005 wurden für alle Rüstungsgüter Einzelausfuhren im Wert von über 4 Mrd. € bewilligt. Die meisten Einzelausfuhrgenehmigungen betrafen Lieferungen in die USA. Aber auch umfangreiche Rüstungsgüterexporte in Länder wie Pakistan gab man grünes Licht – trotz Konfliktpotentials und Menschenrechtverletzungen. Diesbezüglich verlangen mehrere Kirchen, dass Exportgenehmigungen in Drittstaaten von der Bundesregierung begründet werden sollten. Sammelausfuhrgenehmigungen von Rüstungsgütern im Rahmen wehrtechnischer Kooperation zwischen EU- und NATO-Partnern erreichten ein Umsatzvolumen von ca. 2 Mrd. €.

3.2 Kriegswaffen

Hier einige Zahlen zu den realen Kriegswaffenexporten: Deutsche Unternehmer lieferten im Jahr 2005 Kriegswaffen im Gesamtwert von 1,6 Mrd. €. Das sind zwar „nur“ 0,25 % aller deutschen Exporte, aber es handelt sich schließlich nicht um irgendwelche Produkte, die man ausführt. Knapp Zweidrittel der Genehmigungen betrafen Ausfuhrvorhaben an die EU-, NATO- und NATO-gleichgestellten Länder (Australien, Neuseeland, Japan, Schweiz). Das übrige Drittel der Rüstungsgüter ging an klassische Entwicklungsländer – v.a. nach Südafrika – und andere Drittstaaten. Die GKKE gibt aber zu bedenken, dass über Umwege mehr deutsche Rüstungsgüter in die Entwicklungsländer geraten, als man vielleicht annimmt:

„Geht man davon aus, dass deutsche Zulieferungen an andere europäische Rüstungshersteller ihrerseits in Entwicklungsländer exportiert werden, ist der Anteil der Entwicklungsländer, die direkt oder indirekt deutsche Waffen und Rüstungsgüter erhalten, erheblich größer.“

Zu den genehmigten Kriegswaffenlieferungen zählten u.a. über 3.000 Handfeuerwaffen – einschließlich so genannter ziviler Waffen wie Jagd-, Sport- und Selbstverteidigungswaffen.
Auch Kleinwaffen bildeten eine nicht zu verharmlosende Teilmenge der Handfeuerwaffen. Die OSZE definiert den Typus der Kleinwaffen wie folgt:

„Unter Kleinwaffen sind im weitesten Sinn Waffen zu verstehen, die für die Verwendung durch den einzelnen Angehörigen der Streitkräfte oder Sicherheitskräfte gedacht sind. Dazu gehören Revolver und Selbstladepistolen, Gewehre und Karabiner, Maschinenpistolen, Sturmgewehre und leichte Maschinengewehre.“

Unterschiedlichen Schätzungen zufolge kämen bis zu 95 % aller getöteten Menschen mit Waffen dieser Kategorie zu Tode. Beinahe Einviertel aller Einzelgenehmigungen für Kleinwaffenausfuhren betrafen Drittstaaten und Entwicklungsländer – darunter Afghanistan, Brasilien und Kolumbien. Nicht zu vergessen sind erlassene Exporte von Kleinwaffenbestandteilen und -munition.
Angesichts der Kleinwaffenproblematik ist der seit 2003 geltende Grundsatz „Neu für alt“ unbedingt zu achten, um wenigstens einem quantitativen Zuwachs der Kleinwaffen zuvorzukommen.

Den Exportschlager überhaupt bildeten die knapp 2.000 militärische Ketten- und Radfahrzeuge im Wert von mehr als 1,2 Mrd. €.
Auch das Bundesverteidigungsministerium trat als Rüstungsexporteur in Erscheinung: Nicht mehr benötigtes Material der Bundeswehr im Gesamtwert von knapp 90 Mio. € wurde mehrheitlich an Spanien, Tunesien und Griechenland verkauft.

Nachdem man nun in etwa weiß, in welcher Größenordnung sich der deutsche Rüstungsexport bewegt, soll abschließend aufgezeigt werden, worauf die Bundesregierung zukünftig in ihrer Rüstungsexportpolitik achten und was sie besser machen sollte.

4. Fazit

Das Interesse der Bundesregierung muss besonders der Restriktion und dem konkreten Fall gelten. Jede einzelne Anfrage ist peinlichst genau darauf zu überprüfen, ob sie mit den deutschen Gesetzesgrundlagen und den nationalen wie internationalen Leitlinien kompatibel ist oder ob sie ihnen zuwiderläuft.
Weiter muss den deutschen Unternehmen mehr Transparenz verordnet werden, sodass sich der einzelne Bürger bei Lichte ein besseres Bild verschaffen kann. Illegale Exporte könnten nebenbei leichter aufgedeckt und strafrechtlich verfolgt werden können. Aber auch die Bundesregierung sollte nicht nur nacktes Zahlenmaterial offenlegen, sondern sich dazu verpflichteten, fragwürdige Rüstungsexporte öffentlich zu begründen.
Die Aufweichung oder gänzliche Aufhebung von Waffenembargos darf keine Frage der Zeit oder politisch-wirtschaftlicher Opportunität sein, sondern muss an die oben beschriebenen Bedingungen geknüpft werden. Die Forderung Waffenembargos (komplett) abzuschaffen, mit der Begründung, der EU-Verhaltenskodex reiche als Richtmaß aus, ist, gelinde gesagt, unklug. Die Verhängung von Handelsverboten soll ja gerade der Kennzeichnung solcher Länder dienen, denen eine dem „Gemeinwohl“ verpflichtete Nutzung der Rüstungsgüter nicht zuzutrauen ist. Das Argument, es sei besser an alle Länder zu exportieren, als zu warten bis diese die gewünschten Rüstungsgüter selber entwickelten und produzierten, ist nicht nur aus Gründen des Prinzips zu verneinen. Denn im Hinblick auf die Grundsätze der BRD, der EU und der OSZE stellen unbestechliches, konsequentes und transparentes Handeln im Umgang mit der Erteilung bzw. Versagung von Genehmigungen Schlüsselelemente zu einer Verbesserung der allgemeinen Glaubwürdigkeit des Rüstungsgeschäftes dar. Im Übrigen gilt es unter allen Umständen zu verhindern, dass von Deutschland gelieferte Rüstungsgüter vom Abnehmerland zweckentfremdet werden (z.B. Umrüstung konventioneller U-Boote in atomare U-Boote).
Eine restriktive und verantwortungsvolle Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung kann auf andere Staaten vorbildlich wirken und trägt sicherlich eher zu einer sichereren und gewaltfreieren Welt bei, als ein Übermaß an Toleranz und Wohlwollen gegenüber der Rüstungsindustrie und ihrer Kunden. Alles in allem wird die Öffentlichkeit in Sachen Rüstungsexport in vielen Punkten im Unklaren gelassen. Im Sinne des eigenen Volkes, der Sicherheit und des Weltfriedens wäre die Bundesregierung gut beraten, die Forderungen und die Kritik betreffs ihrer Rüstungsexportpolitik und ihrer Öffentlichkeitsarbeit ernst zu nehmen.


Quellen bzw. Links:

http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/themen/export/bericht03-bundestag.html http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/P-R/ruestungsexportbericht-2005,property=pdf,bereich=bmwi,sprache=de,rwb=true.pdf http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/awg/gesamt.pdf http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/krwaffkontrg/gesamt.pdf http://www.ngo-online.de/ganze_nachricht.php?Nr=10608 http://www.gkke.org/cms/upload/pdf/bericht_ruestungsexporte_12.12.05. http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/krwaffkontrg/gesamt.pdf

Das bedingugslose Grundeinkommen - Ein Menschenrecht?

1 Einleitung

„Jeder Mensch hat das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl, auf angemessene und befriedigende Arbeitsbedingungen so­wie auf Schutz gegen Arbeitslosigkeit.“ (Uno-Menschenrechte Art. 23 Abs. 1)

Ein Blick in die Uno-Menschenrechtscharta verrät, welche Rechte jedem Menschen im Idealfall zustehen. Ob man diese unveräußerlichen Rechte dann auch tatsächlich in Anspruch nehmen kann, hängt normalerweise davon ab, in welchem Maße der einzelne Staat seinen Bürgern diese Rechte auch einräumt. In diesem Aufsatz soll die These untersucht und unterstützt werden, dass das obige Menschenrecht erst durch die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) vollends erfüllt werden kann. Dabei will ich mich insbesondere mit dem gegenwärtig radikalsten Denker eines BGE Götz Werner befassen. Doch zunächst werden die vier Richtschnüre, an denen sich ein „richtiges“ BGE festmacht, kurz beschrieben. Anschließend soll Werners Theorie und die damit eventuell verbundenen soziokulturellen und politökonomischen Konsequenzen diskutiert werden. Im Weiteren sollen die Vorschläge Werners um einige Ideen und Anregungen linkspolitischer Verfechter eines BGE ergänzt werden. Zum Schluss werden die möglichen Auswirkungen eines BGE mit den in Artikel 23 (1) proklamierten Uno-Menschenrechten abgeglichen und geprüft, ob oder inwiefern die oben formulierte Hypothese zutreffend sein könnte.

Die Fragen, die hier interessieren, lauten: Was ist ein Grundeinkommen? Was wollen Götz Werner und andere Befürworter eines BGE? Wie könnte sich ein BGE auf Artikel 23 (1) der Uno-Menschenrechtserklärung auswirken?

Diese Arbeit stützt sich hauptsächlich auf Interviews und Aufsätze von Götz Werner, Katja Kipping und Mecki Förthmann. Weil das BGE zurzeit in vielerlei Munde ist, kann man – vor allem im Internet – relativ viel Material darüber finden.

2 Was heißt Grundeinkommen?

2.1 Leben in Würde durch ein BGE

Laut des Gründers der Drogeriemarktkette dm Götz Werners und anderer Anhänger eines BGE solle der Staat es jedem Menschen selbst überlassen, ob oder was er oder sie arbeiten will. Allen Staatsangehörigen oder sogar allen legal in Deutschland lebenden Menschen müsse ein monatliches BGE ausgezahlt werden, das auch ohne Arbeitseinkommen ein Leben in Würde erlaube. Dabei gibt es verschiedene Vorstellungen, wonach junge Menschen unter 16 oder 18 Jahren kein, ein gekürztes oder das volle BGE ausgezahlt bekämen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Grundeinkommen (BAG) der Linkspartei.PDS fordert für alle Deutschen ab 16 Jahren ein BGE in der Höhe der Armutsrisikogrenze, die bei 60% des durchschnittlichen Nettoäqivalenzeinkommens in Deutschland liegt. Auf jeden Fall – darüber sind sich Götz Werner und die „linken“ Befürworter eines BGE einig – müsse ein BGE hoch genug sein, um würdevoll wohnen und leben zu können und soziale wie kulturelle Teilhabe zu ermöglichen.

2.2 Die vier Kriterien eines BGE

Das „Netzwerk Grundeinkommen“ knüpft ein Grundeinkommen an vier Kriterien, die erfüllt sein müssten, damit von einem BGE überhaupt erst gesprochen werden könne: erstens dürfe es keinerlei staatlichen Arbeitszwang geben, zweitens müsse ein individueller Rechtsanspruch auf ein BGE bestehen, drittens dürfe ein BGE nicht an eine Bedürfnisprüfung gekoppelt werden und viertens müsse es die Existenz sichern. Tom Maier, ehemaliges Vorstandsmitglied der WASG, wirbt sogar dafür, das Recht auf ein BGE in den Grundrechtskatalog der BRD aufzunehmen.

Im nachfolgenden Kapitel soll aufgezeigt werden, wie Götz Werner die Notwendigkeit eines BGE begründet und was durch sein BGE-Modell anders werden soll.

3 Götz Werner und seine Vision

3.1 Überproduktion und weiter steigende Arbeitslosigkeit

Werner macht darauf aufmerksam, dass es in der BRD seit den 1970er Jahren keine Vollbeschäftigung mehr gegeben habe und dass auch zukünftig weitere Erwerbsarbeitsplätze, hauptsächlich im industriellen Bereich, wegrationalisiert würden. In Deutschland produziere man schon seit langem mehr als man (ver)brauche. Und wenn die Märkte gesättigt und die Verkaufszahlen rückläufig seien, dann würden Arbeitsplätze abgebaut. Das spiegle nur die Marktlogik wider, denn ein Unternehmer habe sich nicht darum zu kümmern, möglichst viele Arbeitsplätze zu schaffen oder zu sichern. Im Gegenteil: er müsse versuchen, möglichst viel Geld und Ressourcen einzusparen, um den Menschen von der Arbeit zu befreien und den Profit zusteigern. Neben den gesättigten Märkten liefen auch die ständig neuen Innovationen und der unaufhaltsame technische Fortschritt in Zukunft auf mehr oder weniger „menschenleere Fabriken“ hinaus. Der Mensch wiche immer häufiger der Maschine. Diese beiden Entwicklungsstränge führten zu einer noch größeren Sockelerwerbslosigkeit.

3.2 Weniger Erwerbsarbeit, mehr Freiheit, mehr Familie, mehr soziales Engagement

Werner sieht in dieser von ihm prognostizierten Zukunft weniger eine Gefahr für den Sozialstaat als vielmehr eine Chance zu mehr Freiheit.
Als Reaktion auf den zu erwartenden Rückgang der Nachfrage an Erwerbsarbeitskräften, sei es an der Zeit, Einkommen nicht mehr nur an Erwerbsarbeit zu koppeln, sondern allen deutschen Arbeitsplatzbesitzern und Erwerbslosen bedingungslos ein BGE auszuzahlen. Das Adjektiv „Bedingungslos“ schließe die Beseitigung sämtlicher staatlich-administrativer Bedarfsprüfungen ein, die viele Menschen als demütigend empfänden. Niemand müsste mehr als Bittsteller an den Staat herantreten.

Das Werner-Modell verabschiedet sich von jeglichen Einkommensbesteuerungen und -abgaben, was die Erwerbsarbeit als zusätzliche Einkommensquelle sehr attraktiv mache. Am Rande sei noch einmal an den ureigensten Zweck des BGE erinnert: es solle ein Leben in Würde sichern – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Wer sich neben dem Notwendigsten auch etwas „leisten“ möchte, wird sich zum BGE etwas dazuverdienen müssen. Zudem betont Werner den „immateriellen Wert“ der Arbeit. Wem seine Arbeit bisher Spaß machte oder in seiner Arbeit einen Sinn erkenne, würde seine Arbeit wahrscheinlich auch nach der Einführung eines BGE fortsetzten. Selbst die eintönigste Arbeit könne der sozialen Kontakte wegen oder aufgrund des Gefühls, gebraucht zu werden, gerne verrichtet werden. Wenn es trotzdem schwierig würde, vakante Arbeitsplätze zu besetzten, müsste man probieren, diese so weit wie möglich zu automatisieren (Bsp. Müllentsorgung) oder höhere Löhne anbieten (Bsp. Pflege).
Wer keiner Erwerbsarbeit nachgehen wolle, könne sich mit dem BGE begnügen. Arbeitsauszeiten oder Arbeitszeitverkürzungen durch mehr Teilzeitarbeit eröffneten die Aussicht zu mehr Freiheit und Freizeit. Der Mensch hätte endlich Zeit, sinnstiftende Tätigkeiten auszuüben, mit denen er sich gerne identifiziert. „Es würde mehr soziale Arbeit geleistet. Auch mehr Erziehungsarbeit, mehr Pflegearbeit, mehr künstlerische Arbeit, Kultur- und Theaterarbeit, mehr Bildungsarbeit und, und, und.“ Im Gegensatz zur Erwerbsarbeit lägen in den soeben genannten Arbeitsbereichen noch riesige Potentiale brach. „Wir steuern auf eine Gesellschaft zu, in der die Arbeit verschwindet. Und die Frage ist nur, was die Menschen dann alle mit ihrer Zeit anfangen. Das ist eine Kulturfrage. Das Problem, das wir haben, liegt nicht auf dem Arbeitsmarkt, sondern eigentlich in der Kultur.“ Schon heute seien nur 31 % aller in der BRD lebenden Menschen in Erwerbsarbeitsverhältnissen beschäftigt.

3.3 Ausschließliche Konsumbesteuerung, Steueroase BRD, geringere Schwarzarbeit

Die paradiesisch anmutende Vision Werners wirft die Frage nach der Finanzierbarkeit des BGE auf. Werner plädiert für eine radikale Vereinfachung des Steuersystems: Einkommenssteuern und -abgaben sollen – wie bereits erwähnt – wegfallen, dagegen aber der Konsum über die Mehrwertsteuer stärker besteuert werden. „Bin ich konsumtiv, lebe ich von der Leistung anderer, bin ich produktiv, leiste ich für andere. Die Einkommensteuer setzt da an, wo ich produktiv bin. Das ist idiotisch, das bremst Initiativen.“
Auf lebenswichtige Güter des täglichen Bedarfs (Nahrungsmittel etc.) müsste ein niedriger, auf Güter des gehobenen Bedarfs ein höherer und auf Luxusgüter ein sehr hoher Mehrwertssteuersatz erhoben werden. Außerdem müsse man bei den Produkten unterscheiden, ob sie auf die Gesellschaft einen positiven, neutralen oder negativen Effekt hätten und dementsprechend niedrig bzw. hoch besteuern (Bsp. Hohe Mehrwertsteuer auf Tabak).

Der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/ Die Grünen im Bundestag Fritz Kuhn unterstellt Götz Werner, durch die Abschaffung der progressiven Einkommensteuer auch den daran geknüpften Gerechtigkeitsgedanken aufzugeben. Dieser besage, dass Gutverdiener mehr Steuern bezahlen müssten als Geringverdiener. Solchen Einwänden entgegnet Werner, auch sein Modell bitte Besserverdiener stärker zur Kasse als Normal- und Geringverdiener, da erstere aufgrund ihres höheren Lebensstandards auch mehr bzw. teurere Güter konsumierten als letztere beiden Einkommensgruppen. Erwerbslose, die ausschließlich das BGE-Einkommen bezögen, könnten ihr ohnehin knapp bemessenes Geld nicht sparen, sondern würden dem Staat einen Teil des BGE über maximale Konsumausgaben innerhalb eines Monats wieder zurückführen. Die Wirtschaft profitierte von der steigenden Binnenkaufkraft aller Menschen.
Weiter kritisiert Kuhn, auch Menschen, die ein BGE gar nicht benötigten, erhielten ein solches. Hierauf ließe sich aus Sicht Werners z. B. antworten, dass selbst Millionäre einmal finanziell abrutschen könnten und so durch das BGE abgesichert wären. Gerade weil jeder das Gleiche bekäme – ein BGE also gewissermaßen ein „Grundrecht“ wäre –, könnte sein Modell als gerecht bezeichnet werden. Ganz nebenbei zahle der Staat beispielsweise auch heute an reiche Eltern Kindergeld, obwohl diese das gar nicht bräuchten – und niemand tadle diese Praxis. Überdies könnten die besser gestellten Menschen durch ein BGE theoretisch noch mehr konsumieren.
Dabei unterschlägt Werner gemäß seiner Kritiker allerdings einen Teil der Wirklichkeit, in der Spitzenverdiener wie Herr Ackermann nur einen Bruchteil ihres Monatseinkommens verbrauchten bzw. verbrauchen könnten. Wie käme der Staat dann ohne Einkommenssteuer an deren Geld – etwa über eine extra Reichensteuer oder wie Werner meine, ausschließlich über den Konsum? Hier besteht also noch Klärungsbedarf.

Durch den Wegfall der Einkommenssteuern und der Sozialabgaben, die die Erwerbstätigen dann nicht mehr zahlen müssten, sowie durch das staatlich gesponserte BGE, könnten Unternehmer niedrigere Löhne zahlen. Die zusätzlich entfernten Unternehmenssteuern und Lohnnebenkosten gestatten eine komplett steuerfreie und damit billigere Produktion von Gütern und Dienstleistungen. Die Nettopreise der Produkte würden folglich sinken, aber durch die höheren Mehrwertsteuersätze wieder ungefähr an das ursprüngliche Bruttopreisniveau angehoben. Steuern für die Produktion würden erfahrungsgemäß von den Unternehmen durch Preiserhöhungen sowieso immer an die Endverbraucher weitergegeben. Die Einkommenssteuer, Lohnkosten und Lohnnebenkosten führten nur zu einer ständigen Verteuerung der Menschenarbeit (Bsp. Frisör), während Maschinenarbeit unberührt bliebe. Durch das Streichen der Produktionsbesteuerung würde sich Menschenarbeit verbilligen und Maschinenarbeit durch die Konsumbesteuerung gleichermaßen belastet werden.
Durch das gänzliche Abschaffung der Produktionsbesteuerung würde Deutschland für Unternehmer eine Steueroase und somit ein äußerst attraktiver Standort für Unternehmensgründungen. Produktionsstätten müssten nicht mehr zuhauf ins Ausland verlagert werden. Billigarbeitskräfte aus dem Osten machten minderqualifizierten Deutschen nicht mehr den Arbeitsplatz streitig. Exporte gewännen – weil sie nicht mit der Mehrwertsteuer beladen wären – an Attraktivität, Importe hingegen verteuerten sich (Bsp. Billigtextilien aus China).

Das Werner-Modell hätte zudem den unschätzbaren Vorteil, dass jeder kinderleicht nachvollziehen könnte, wieviel Steuergeld er/sie dem Staat als Verbraucher zahle und was er/sie über das BGE wieder zurückbekomme. Schwarzarbeit, so Werner weiter, nehme ab, da die Kontrolleure nur noch überprüfen müssten, ob eine Rechnung ausgestellt wurde, in der der Mehrwertsteuersatz inbegriffen ist. Umgekehrt – das verschweigt Werner gerne – könnte Deutschland aber auch zu einem Schwarzarbeiterparadies verkommen, denn besonders handwerkliche Arbeit in vertrauten Kreisen könnte sich wohl leicht um die Mehrwertsteuer herumzudrücken. Tipps und Tricks zur Steuerhinterziehung im heutigen Ausmaß wären allerdings passé.

3.4 Finanzierung, Realisierung

Das BGE könne somit großteils aus den Mehrwertsteuereinnahmen finanziert werden. Außerdem ließe sich durch die radikale Vereinfachung des Steuersystems in großem Maße Bürokratie abbauen – etwa alle Bundesarbeitagenturen, viele Finanzbeamte etc.. Des Weiteren machte das BGE die Arbeitslosen- und Rentenversicherung überflüssig. Eine staatliche Rente im heutigen Sinne gäbe es dann nicht mehr. Man könnte bis an das Ende seiner Tage arbeiten oder seinen Lebensabend mit dem BGE und eventuell vorhandenen Ersparnissen ausklingen lassen. Ein Teil des BGE könnte verpflichtend in eine staatliche oder private Kranken- und Pflegeversicherung abgeführt werden. Das Werner’sche Modell stellte die passende Antwort auf die demografischen Entwicklungen in der BRD dar. Andere Sozialleistungen wie BäföG, Kindergeld etc. bräuchte der Staat nicht mehr zu bezahlen. Ausnahmefälle bildeten extrem gehandicapte Menschen (Behinderte etc.), die neben dem BGE eine Mehrleistung erhielten.
Denjenigen, die Werners Finanzierungskonzept bemängeln, sollten sich immer gleichzeitig vergegenwärtigen, dass bereits heute nur 26 Mio. der 82 Mio. in der BRD lebenden Menschen erwerbstätig sind – prozentual ausgedrückt seien das lediglich 31 %; jeder zweite Deutsche lebe von Transferleistungen des Staates, deren Gesamtvolumen 700 Mrd. € umfasse. Das Werner’sche Modell scheint also weniger realitätsfern, als deren Zweifler glauben mögen.

4 Ergänzende Ideen und Anregungen der politischen Linken

Katja Kipping, stellvertretende Parteivorsitzende der Linkspartei/PDS und Sprecherin des Netzwerkes Grundeinkommen, teilt im Großen und Ganzen das Werner’sche Zukunftsbild, wonach der Bedarf an körperlicher Arbeit – etwa in der Produktion – abnehme und die kulturellen, sozialen, kreativen Arbeiten an Bedeutung zulegten. Ihre konzeptionellen Vorstellungen von einem BGE sind aber in vielen Aspekten weniger radikal als die von Werner. Im Folgenden soll aber nicht das Modell vom „Netzwerk Grundeinkommen“ dargelegt, sondern die von Werner angesprochenen Aspekte eines BGE um einige andere Anregungen (von linker Seite) ergänzt werden.


4.1 Ehrenamt, Emanzipation, Schutz vor Armut, Demokratiepauschale, Solidarität

Kipping geht wie Werner von einem Zuwachs an ehrenamtlichem Engagement aus. Ihrer Einschätzung zufolge leisteten in der BRD bereits heute 22 Mio. Menschen durchschnittlich 15 Stunden wöchentlich unentgeltliche Öffentlichkeitsarbeit. Und der Sektor der Kommunalarbeit hätte seine Grenzen noch längst nicht überschritten. An dieser Stelle werfen Kritiker oft ein, Arbeitslosigkeit bewirke eher einem Rückzug aus dem sozialen Leben und führe zu Lethargie. Dem wiederum könnte man erwidern, durch ein BGE wirke Erwerbsarbeitslosigkeit nicht mehr so stigmatisierend und die Erwerbslosen verlören eventuell ihre Scheue vor der Öffentlichkeit.
Stärker als Werner unterstreicht Kipping die emanzipatorische Wirkung eines BGE. In Partnerschaft lebende erwerbslose Männer oder Frauen wären nicht mehr so sehr vom Partnereinkommen abhängig und würden selbstbewusster. Auch den Armut bekämpfenden Charakter des BGE hebt sie hervor. Bettler, die in Fußgängergassen oder vor Parkhäusern um ihre nackte Existenz kämpften, hätten jetzt ein festes Einkommen in der Tasche.
Nebenbei betrachtet Kipping ein BGE als Demokratiepauschale. Rein theoretisch hätte nämlich jeder BGE-Empfänger die Möglichkeit – etwa durch den Kauf einer (seriösen) Zeitung – etwas für seine persönliche politische Meinungs- und Willensbildung zu tun.
Zuletzt sei auf den Aspekt der Solidarität hingewiesen. Wenn jeder Mensch ein BGE kassiere, ginge die Zahl derjenigen, die der Meinung sind, man solle nicht länger „Drückebergerei oder Sozialschmarotzertum“ finanzieren, vielleicht zurück. Gewissermaßen erhielten ja dann alle Menschen, ganz gleich, ob erwerbstätig oder erwerbslos, die gleiche „Sozialhilfe“. Außerdem dürfe gemeinnützige Arbeit nicht immer mit Erwerbsarbeit gleichgesetzt werden. Arbeit im Haushalt, im Ehrenamt oder politisches Engagement seien auch Gesellschaftsarbeiten.

4.2 Keine Bedarfsprüfung, Bürokratieabbau

An den bisherigen Bedarfsprüfungen bemängelt Kipping u. a. die Übervorteilung von Menschen mit eher schwachen kommunikativen Kompetenzen. Diese seien dem bürokratischen Procedere kaum gewachsen und dadurch mit Nachteilen konfrontiert. Bei einer bedingungslosen Auszahlung eines BGE müsste man beispielsweise keinen Arbeitsvermittler mehr vorgaukeln, wie arbeitswillig man doch sei oder vorrechnen, wie viele Bewerbungsschreiben man abgeschickt hätte. Und der Bürokratieabbau wäre endlich beschlossene Sache. Die BRD hat weiniger ein Einnahme- als vielmehr ein Ausgabeproblem. Ein Beispiel: das Arbeitsamt in Berlin wendete 2004 in der Spitze 80.000 € für die Vermittlung eines Arbeitslosen auf. Warum das Geld dann also nicht gleich unter den Leuten verteilen?

4.3 Mindestlohn

Neben der Einführung eines BEG setzt sich Kipping auch für einen Mindestlohn ein. Die Ausweitung von Teilzeitjobs etc. nach Einführung eines BGE könnte bei den vollbeschäftigten Erwerbstätigen und bei den Erwerbslosen auf reges Interesse stoßen. Ein Mindestlohn verhindere dann, dass Unternehmen beim Überangebot an Arbeitskräften ihre (Teilzeit-)Arbeit zu Spottlöhnen „verkaufen“ könnten.

4.4 Gewerkschaften

So sehr sich Kipping & Co. auch in Überzeugungsarbeit üben, die Gewerkschaften konnten sich bisher mit dem Gedanken an ein BGE kaum anfreunden, obwohl die politische Linke und die Gewerkschaftsseite sonst eine relativ große Interessensschnittmenge eint.
Das Kernargument der Gewerkschaft heißt, das BGE höhle die Solidarität zwischen Erwerbstätigen und Erwerbslosen aus. Mecki Förthmann, Mitglied des SprecherInnenrates
der BAG Grundeinkommen in und bei der Partei DIE LINKE, entgegnet diesem, schon heute könne keine Rede von Solidarität sein, da die Gewerkschaften ja vorrangig die Interessen der Arbeitsplatzinhaber repräsentierten. Arbeitssuchende gefährdeten in den Augen der Gewerkschaft nur die Arbeitsplätze der Arbeitsplatzinhaber und verursachten Lohndrückerei. „Erst durch das BGE ist es möglich Solidarität zwischen Arbeitenden und nicht arbeitenden Menschen zu schaffen. Die Unternehmer können dann keine hungernden Streikbrecher oder Lohndrücker anheuern.“ Außerdem fürchten die Gewerkschaften einen Machtverlust, weil der einzelne Arbeiter durch das BGE unabhängiger würde. Andererseits wären durch ein BGE auch längere Streiks und zähere Haltungen der Arbeitnehmer denkbar.

Das Werben für stärkere Emanzipation, Armutsbekämpfung und Demokratisierung sowie für einen gesetzlichen Mindestlohn sind die vielleicht wichtigsten „linken“ Beifügungen zu den von Werner geäußerten Perspektiven zu mehr Freiheit, Eigeninitiative, ehrenamtlicher Tätigkeit, Familien- und Erziehungsarbeit sowie zu einem kulturellen Bedeutungszuwachs.


5 Artikel 23 (1) des Uno-Menschenrechts

Nachdem geklärt ist, was unter einem BGE zu verstehen ist, was man damit erreichen will und was man vielleicht auch tatsächlich erreichen kann, soll jetzt ein zweites Mal ein Blick auf Artikel 23 (1) des Uno-Menschenrechts geworfen werden.
Die PDS/Linke Liste bemerkte 1993: „Damit Arbeit wirklich ein Recht wird, darf sie weder Pflicht noch Zwang sein.“ Nach Umsetzung eines BGE Modells, wie beispielsweise dasjenige von Werner, bestünde in der BRD dann wahrhaft ein Recht auf Arbeit. Denn die unter Androhung von Kürzungen von Sozialleistungen auferlegten 1-Euro-Jobs und andere repressive Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gehörten dann endgültig der Vergangenheit an. Die Berufswahl wäre wirklich frei und niemand würde von den Bundesarbeitsagenturen mehr unfreiwillig für irgendwelche „zumutbaren“ Jobs zwangsvermittelt werden. Wer keine angemessenen und befriedigenden Arbeitsbedingungen vorfände, könnte das Unternehmerangebot ausschlagen bzw. kündigen. Die Verhandlungsposition der Erwerbstätigen oder der Erwerbsarbeitssuchenden gegenüber den Arbeitgebern würde gestärkt werden. Außerdem fiele es durch das BGE wahrscheinlich leichter Arbeiten aufzugeben, die mit persönlichen Gewissenskonflikten verbunden sind (Bsp. Rüstungsindustrie). Und last but not least böte das BGE auch einen Schutz gegen ungewollte oder eine Option für gewählte Erwerbslosigkeit. Das Uno-Menschenrecht wäre keine sinnleere Floskel mehr. Man sollte weiterhin über ein BGE nachdenken.

Quellen bzw. Links:

Interviews von Götz Werner:
http://www.iep.uni-karlsruhe.de/download/Wir_koennen_den_Menschen_von_der_Arbeit_befreien.pdf
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,386396,00.html
http://www.dr-frankschepke.de/Interview_GotzWerner.pdf
http://www.brandeins.de/ximages/19221_072goetzww.pdf
http://www.iep.uni-karlsruhe.de/download/Wer_nicht_arbeitet_soll_trotzdem_essen.pdf


Aufsätze und Interviews von Tom Maier, Fritz Kuhn, Katja Kipping und Mecki Förthmann:
http://de.indymedia.org/2004/08/89212.shtml
http://www.brandeins.de/home/inhalt_detail.asp?id=2204
http://www.linksnet.de/artikel.php?id=1746
http://www.die-linke-grundeinkommen.de/PDF/uffn_wedding_juni_07.pdfhttp://www.die-linke-grundeinkommen.de/PDF/verteidigung_bge.pdf