Dienstag, 21. August 2007

Deutscher Rüstungsexport

1. Einleitung

„Solange es Streitkräfte gibt, wird Ausrüstung benötigt. Aber Ausrüstung gibt es nicht ohne Rüstungsproduktion. Da sich kein Land eine autarke Rüstungsproduktion leisten kann, gibt es grundsätzlich einen Handel mit Rüstungsgütern.“ (Winfried Nachtwei, Bündnis 90/Die Grünen)

Waffen gibt es schon solange wie den Menschen selbst. Deshalb ist der Gedanke an eine Welt ohne Armeen und Waffen zwar wünschenswert, aber er scheint auch realitätsfern.
Deutschland rangiert in der Tabelle der Rüstungsexporteure auf dem dritten Platz hinter Russland und dem Spitzenreiter der USA. Und es ist ein Skandal, dass hier und da Menschen verhungern, weil sie nichts zu Essen haben, während andernorts Unsummen an Geld in die Rüstungsindustrie gepumpt werden. Doch der makabere Irrwitz der Verteilung und Verwendung von Ressourcen und deren Folgen auf Mensch und Umwelt lässt sich nicht nur am Aspekt der Rüstung festmachen. Der Handel mit Rüstungsgütern ist eher Ausdruck einer allgemeinen kollektiven und individuellen menschlichen Schieflage, die aber hier aus Platzgründen nicht ausgeführt werden kann. Der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit liegt daher woanders: Zunächst soll ein Blick auf die Gesetzesgrundlage und die Leitlinien deutscher Rüstungsexportpolitik geworfen werden. Anschließend wird anhand des von der Bundesregierung herausgegebenen Rüstungsexportberichts die tatsächliche Praxis veranschaulicht und um kritische Einwände seitens verschiedener Organisationen ergänzt.

Die Leitfragen dieses Aufsatzes lauten dann etwa so: Welchen Prinzipien will die deutsche Rüstungsexportpolitik gehorchen? Wie sieht die tatsächliche Exportpraxis aus? Was ließe sich an der öffentlichen Aufklärungsarbeit der Bundesregierung verbessern?

Das Material der Arbeit speist sich hauptsächlich aus dem Rüstungsexportbericht der Bundesregierung (2005) und dem Gegenentwurf der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE).

2. Prinzipien deutscher Rüstungsexportpolitik

Der gesetzliche Handlungsrahmen für den deutschen Rüstungsexport ist nach dem Grundgesetz (GG), dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG) bzw. der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) und dem Kriegswaffenkontrollgesetz (KWKG) geregelt. Innerhalb dessen will die Bundesregierung ihre Rüstungsexportpolitik an den „Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“, an dem „Verhaltenskodex der Europäischen Union für Waffenausfuhren“ und an den von der OSZE verabschiedeten „Prinzipien zur Regelung des Transfers konventioneller Waffen“ ausrichten.
Deutschland verpflichtet sich demnach, nur an solche Länder Rüstungsgüter zu exportieren, in denen die Menschenrechte eingehalten und geschützt werden. Des Weiteren muss die BRD sicherstellen, dass die deutschen Rüstungsgüter nicht in „falsche Hände“ geraten. In Länder, die an bewaffneten Auseinandersetzungen beteiligt sind oder wo eine solche drohen könnte, dürfen keine deutschen Rüstungsgüter geliefert werden (Ausnahme: siehe Uno-Charta, Art. 51). Ferner werden auch andere Kriterien zur Bewertung des potentiellen Empfängerlandes herangezogen, z.B. das Verhalten im Hinblick auf den Terrorismus.
Gemäß dem AWG ist die Bundesregierung unter bestimmten Umständen berechtigt, Rechtsgeschäfte und Handlungen im Außenhandelsverkehr zu beschränken –
nämlich dann, wenn wesentliche deutschen Sicherheitsinteressen, das friedliche Zusammenleben der Völker und/oder die auswärtigen Beziehungen der BRD Schaden nehmen könnten. Insbesondere die Aus-, Durch- sowie Einfuhr von Waffen, Munition, Kriegsgerät und ‚sonstiger Rüstungsgüter’ können von der Bundesregierung auferlegten Restriktionen unterliegen. Rechtsgeschäfte und Handlungen im Ausland tätiger deutscher Unternehmer, die Produkte der Ausfuhrliste herstellen und entwickeln, können ebenfalls Grenzen gesetzt werden.
Das AWG und die darauf basierende AWV besagen, dass die Ausfuhr sämtlicher Rüstungsgüter – inklusive der Kriegswaffen – genehmigungsbedürftig ist.
Wer speziell mit Kriegswaffen Geschäfte machen will, muss sich an das KWKG halten und stets im Einverständnis mit der Bundesregierung handeln. Der Export in EU-, NATO- und NATO-gleichgestellte Länder wird prinzipiell nicht beschränkt, sollte aber trotzdem mit dem Grundsatz der restriktiven Rüstungsexportpolitik vereinbar sein.
Nachdem nun im Groben geklärt ist, welche „Ideale“ der Bundesregierung in ihrer Rüstungsexportpolitik vorschweben, soll nun auf die Wirklichkeit geschaut werden.

3. Deutsche Rüstungsexportpolitik in der Praxis

Die alljährlich verzögerten Veröffentlichungen der Rüstungsexportberichte erschweren eine zeitnahe öffentliche Diskussion über deren Bilanzen. Auch der Rüstungsexportbericht des letzten Jahres lässt noch auf sich warten, weshalb hier noch einmal auf den Rüstungsexportbericht des Jahres 2005 zurückgeblickt werden soll, der gegebenenfalls um einige externe kritische Einwände und Forderungen ergänzt wird.

Meldepflichtig und somit in den behördlichen Statistiken registriert sind nur Realexporte von Kriegswaffen. Von den ‚sonstigen Rüstungsgütern’ ist nur die Zahl der beantragten Genehmigungen bekannt. Erfahrungsgemäß, so die Bundesregierung, exportierten die deutschen Unternehmer de facto aber weniger als sie es theoretisch dürften. Die GKKE gibt sich mit dieser wagen Auskunft nicht zufrieden und fordert die Erfassung der Realausfuhr aller Rüstungs- und Dual-Use-Güter. (Letztere Güter lassen sich sowohl militärisch als auch zivil verwenden; z.B. Schiffsmotoren.)
Die Namen der am Rüstungsexport beteiligten deutschen Unternehmen darf oder will die Bundesregierung nicht preisgeben, aber auch in anderen Punkten hält man sich bedeckt. In „NGO-online – der Internetzeitung für Deutschland“, heißt es folglich: „Noch immer fehlen bei den Exportgenehmigungen Details zu Art und Umfang der geplanten Lieferungen, zu Lieferanten, zu Empfängern, zum Verwendungszweck und zu Maßnahmen gegen eine Weiterverbreitung.“


3.1 Rüstungsgüter

Im Kalenderjahr 2005 wurden für alle Rüstungsgüter Einzelausfuhren im Wert von über 4 Mrd. € bewilligt. Die meisten Einzelausfuhrgenehmigungen betrafen Lieferungen in die USA. Aber auch umfangreiche Rüstungsgüterexporte in Länder wie Pakistan gab man grünes Licht – trotz Konfliktpotentials und Menschenrechtverletzungen. Diesbezüglich verlangen mehrere Kirchen, dass Exportgenehmigungen in Drittstaaten von der Bundesregierung begründet werden sollten. Sammelausfuhrgenehmigungen von Rüstungsgütern im Rahmen wehrtechnischer Kooperation zwischen EU- und NATO-Partnern erreichten ein Umsatzvolumen von ca. 2 Mrd. €.

3.2 Kriegswaffen

Hier einige Zahlen zu den realen Kriegswaffenexporten: Deutsche Unternehmer lieferten im Jahr 2005 Kriegswaffen im Gesamtwert von 1,6 Mrd. €. Das sind zwar „nur“ 0,25 % aller deutschen Exporte, aber es handelt sich schließlich nicht um irgendwelche Produkte, die man ausführt. Knapp Zweidrittel der Genehmigungen betrafen Ausfuhrvorhaben an die EU-, NATO- und NATO-gleichgestellten Länder (Australien, Neuseeland, Japan, Schweiz). Das übrige Drittel der Rüstungsgüter ging an klassische Entwicklungsländer – v.a. nach Südafrika – und andere Drittstaaten. Die GKKE gibt aber zu bedenken, dass über Umwege mehr deutsche Rüstungsgüter in die Entwicklungsländer geraten, als man vielleicht annimmt:

„Geht man davon aus, dass deutsche Zulieferungen an andere europäische Rüstungshersteller ihrerseits in Entwicklungsländer exportiert werden, ist der Anteil der Entwicklungsländer, die direkt oder indirekt deutsche Waffen und Rüstungsgüter erhalten, erheblich größer.“

Zu den genehmigten Kriegswaffenlieferungen zählten u.a. über 3.000 Handfeuerwaffen – einschließlich so genannter ziviler Waffen wie Jagd-, Sport- und Selbstverteidigungswaffen.
Auch Kleinwaffen bildeten eine nicht zu verharmlosende Teilmenge der Handfeuerwaffen. Die OSZE definiert den Typus der Kleinwaffen wie folgt:

„Unter Kleinwaffen sind im weitesten Sinn Waffen zu verstehen, die für die Verwendung durch den einzelnen Angehörigen der Streitkräfte oder Sicherheitskräfte gedacht sind. Dazu gehören Revolver und Selbstladepistolen, Gewehre und Karabiner, Maschinenpistolen, Sturmgewehre und leichte Maschinengewehre.“

Unterschiedlichen Schätzungen zufolge kämen bis zu 95 % aller getöteten Menschen mit Waffen dieser Kategorie zu Tode. Beinahe Einviertel aller Einzelgenehmigungen für Kleinwaffenausfuhren betrafen Drittstaaten und Entwicklungsländer – darunter Afghanistan, Brasilien und Kolumbien. Nicht zu vergessen sind erlassene Exporte von Kleinwaffenbestandteilen und -munition.
Angesichts der Kleinwaffenproblematik ist der seit 2003 geltende Grundsatz „Neu für alt“ unbedingt zu achten, um wenigstens einem quantitativen Zuwachs der Kleinwaffen zuvorzukommen.

Den Exportschlager überhaupt bildeten die knapp 2.000 militärische Ketten- und Radfahrzeuge im Wert von mehr als 1,2 Mrd. €.
Auch das Bundesverteidigungsministerium trat als Rüstungsexporteur in Erscheinung: Nicht mehr benötigtes Material der Bundeswehr im Gesamtwert von knapp 90 Mio. € wurde mehrheitlich an Spanien, Tunesien und Griechenland verkauft.

Nachdem man nun in etwa weiß, in welcher Größenordnung sich der deutsche Rüstungsexport bewegt, soll abschließend aufgezeigt werden, worauf die Bundesregierung zukünftig in ihrer Rüstungsexportpolitik achten und was sie besser machen sollte.

4. Fazit

Das Interesse der Bundesregierung muss besonders der Restriktion und dem konkreten Fall gelten. Jede einzelne Anfrage ist peinlichst genau darauf zu überprüfen, ob sie mit den deutschen Gesetzesgrundlagen und den nationalen wie internationalen Leitlinien kompatibel ist oder ob sie ihnen zuwiderläuft.
Weiter muss den deutschen Unternehmen mehr Transparenz verordnet werden, sodass sich der einzelne Bürger bei Lichte ein besseres Bild verschaffen kann. Illegale Exporte könnten nebenbei leichter aufgedeckt und strafrechtlich verfolgt werden können. Aber auch die Bundesregierung sollte nicht nur nacktes Zahlenmaterial offenlegen, sondern sich dazu verpflichteten, fragwürdige Rüstungsexporte öffentlich zu begründen.
Die Aufweichung oder gänzliche Aufhebung von Waffenembargos darf keine Frage der Zeit oder politisch-wirtschaftlicher Opportunität sein, sondern muss an die oben beschriebenen Bedingungen geknüpft werden. Die Forderung Waffenembargos (komplett) abzuschaffen, mit der Begründung, der EU-Verhaltenskodex reiche als Richtmaß aus, ist, gelinde gesagt, unklug. Die Verhängung von Handelsverboten soll ja gerade der Kennzeichnung solcher Länder dienen, denen eine dem „Gemeinwohl“ verpflichtete Nutzung der Rüstungsgüter nicht zuzutrauen ist. Das Argument, es sei besser an alle Länder zu exportieren, als zu warten bis diese die gewünschten Rüstungsgüter selber entwickelten und produzierten, ist nicht nur aus Gründen des Prinzips zu verneinen. Denn im Hinblick auf die Grundsätze der BRD, der EU und der OSZE stellen unbestechliches, konsequentes und transparentes Handeln im Umgang mit der Erteilung bzw. Versagung von Genehmigungen Schlüsselelemente zu einer Verbesserung der allgemeinen Glaubwürdigkeit des Rüstungsgeschäftes dar. Im Übrigen gilt es unter allen Umständen zu verhindern, dass von Deutschland gelieferte Rüstungsgüter vom Abnehmerland zweckentfremdet werden (z.B. Umrüstung konventioneller U-Boote in atomare U-Boote).
Eine restriktive und verantwortungsvolle Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung kann auf andere Staaten vorbildlich wirken und trägt sicherlich eher zu einer sichereren und gewaltfreieren Welt bei, als ein Übermaß an Toleranz und Wohlwollen gegenüber der Rüstungsindustrie und ihrer Kunden. Alles in allem wird die Öffentlichkeit in Sachen Rüstungsexport in vielen Punkten im Unklaren gelassen. Im Sinne des eigenen Volkes, der Sicherheit und des Weltfriedens wäre die Bundesregierung gut beraten, die Forderungen und die Kritik betreffs ihrer Rüstungsexportpolitik und ihrer Öffentlichkeitsarbeit ernst zu nehmen.


Quellen bzw. Links:

http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/themen/export/bericht03-bundestag.html http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/P-R/ruestungsexportbericht-2005,property=pdf,bereich=bmwi,sprache=de,rwb=true.pdf http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/awg/gesamt.pdf http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/krwaffkontrg/gesamt.pdf http://www.ngo-online.de/ganze_nachricht.php?Nr=10608 http://www.gkke.org/cms/upload/pdf/bericht_ruestungsexporte_12.12.05. http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/krwaffkontrg/gesamt.pdf

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